Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Eine menschenrechtliche Bewertung der aktuellen Debatte

Nele Allenberg, Leitung der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa, Deutsches Insitut für Menschenrechte

 

Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht aktuelle Auslagerungsmodelle im europäischen Raum sehr kritisch und befürchtet eine Unterminierung des Flüchtlingsschutzes weltweit. Eine Feststellung des Status von Schutzsuchenden in Drittstaaten ist an sehr hohe rechtliche Hürden gebunden, die in der Umsetzung kaum zu erfüllen sind. Selbst wenn die theoretische Ausgestaltung den völker- und menschenrechtlichen Vorgaben entspricht, birgt die praktische Umsetzung Risiken für die Rechte von Schutzsuchenden und international Schutzberechtigten. Das zeigen die Mängel der Modelle europäischer Staaten, die kurz vor der Realisierung stehen. Ein solches System würde darüber hinaus enorme Kosten verursachen und könnte – durch Nachahmungs-Effekte in anderen Staaten – zu einer eklatanten Erhöhung der tatsächlichen Anzahl von Schutzsuchenden weltweit führen. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist aber vorrangig zu befürchten, dass die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes und deren globale Folgen den ohnehin labilen Schutz von Flüchtlingen weltweit weiter verringern und ihre Sicherheit massiv gefährden würde. Das Institut spricht sich deshalb mit Blick auf diese Gefahren mit Nachdruck dagegen aus, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern oder die Ausweitung dieser Politik auf europäischer Ebene zu befördern.

 

1      Aktuelle politische Debatte

Die Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschef*innen Länder (in der Folge: Ministerpräsident*innenkonferenz) wird sich am 20. Juni 2024 mit der Frage beschäftigen, ob Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, künftig in einen kooperierenden Staat außerhalb der EU überführt und ihr Asylverfahren dort – unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – durchgeführt werden kann.[1] Diesen Prüfauftrag hatte die Ministerpräsident*innenkonferenz der Bundesregierung am 6. November 2023 erteilt; die Innenminister*innenkonferenz hatte das Vorhaben auf ihrer Sitzung im Dezember 2023 bekräftigt.[2] Ein ähnlicher, wenn auch nicht ganz so weitreichender Prüfauftrag findet sich bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.[3] Schon vor Bekanntwerden der Ergebnisse dieser Prüfung, die das Bundesinnenministerium seit Februar 2024 durchführt, mehren sich Stimmen innerhalb und außerhalb der Regierung, die eine Auslagerung von Asylverfahren befürworten. So heißt es im Europawahlprogramm der FDP: „Wir wollen die Prüfung von Asylanträgen in Drittstaaten ermöglichen. So können Betroffene dort ausloten, ob sie eine Bleibeperspektive in der EU haben und gegebenenfalls auf eine gefährliche Flucht verzichten. Selbstverständlich unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Grund- und Menschenrechte“.[4] Auch im Grundsatzprogramm der CDU[5] sowie im Europawahlprogramm[6] von CDU und CSU findet sich eine entsprechende Passage.

Eine Auslagerung von Asylverfahren auf einen Drittstaat ist allerdings nur möglich, wenn die Rechte von Schutzsuchenden, die ihnen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert, gewahrt sind. Außerdem ist Deutschland an die europarechtlichen Vorgaben gebunden, die durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gerade große Veränderungen erfahren haben. Im europäischen Raum stehen mit Vereinbarungen zwischen Großbritannien und Ruanda und zwischen Italien und Albanien nun zwei unterschiedliche Auslagerungsmodelle kurz vor ihrer Realisierung. Die Vereinbarungen unterscheiden sich hinsichtlich der Fragen, wer die Verantwortung für die Durchführung der Asylverfahren trägt und wo die Schutzberechtigten im Anschluss an das Verfahren langfristig Aufnahme finden.

Im Folgenden werden die Auslagerungsvorschläge aus Großbritannien und Italien vorgestellt (Kapitel 2) und eine Übertragbarkeit der Pläne auf Deutschland geprüft und bewertet (Kapitel 3). Dabei werden neben der rechtlichen Frage, ob eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten europarechts- und menschenrechtskonform erfolgen kann, auch praktische und strategische Erwägungen berücksichtigtDas Fazit (Kapitel 4) fasst die Erkenntnisse zusammen und formuliert Empfehlungen.

 

2      Bestehende Auslagerungsmodelle: Verletzungen von Völker- und Menschenrechten?

2.1      Das Großbritannien – Ruanda Abkommen

Das Abkommen zwischen Großbritannien und Ruanda vom 6. Dezember 2023 sieht eine vollständige Auslagerung der Verantwortung für die Durchführung des Asylverfahrens auf Ruanda vor – inklusive der Verantwortung für die Unterbringung von Schutzsuchenden sowie der Aufnahme der Personen, die als Flüchtlinge anerkannt werden.[7] Die Asylverfahren werden laut Abkommen nach ruandischem Recht durchgeführt. Wer konkret unter das Abkommen fällt, regelt der britische „Illegal Migration Act“.[8] Er bestimmt, dass allen Schutzsuchenden, die außerhalb eines Aufnahmeprogramms und damit irregulär eingereist sind, den Zugang zu einem Asylverfahren in Großbritannien zu verwehren ist.[9] Ihre Asylanträge werden als unzulässig abgewiesen; sie werden für die Durchführung ihres Verfahrens in einen Drittstaat überstellt.

Dem Abkommen voraus gegangen war ein „Memorandum of Understanding“, das beide Länder bereits im April 2022 geschlossen hatten, das jedoch vom Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs für verfassungswidrig erklärt worden war.[10] Einige der Kritikpunkte des Obersten Gerichtshofs wurden im Abkommen aufgegriffen – so regelt es die Verabredungen zwischen den beiden Staaten nun in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag,[11] auch sieht das ruandische Verfahren eine weitere Instanz und rechtlichen Beistand für Schutzsuchende vor[12] und die Kontrollmechanismen Großbritanniens wurden verstärkt.[13] Außerdem können nun anerkannte Flüchtlinge beziehungsweise andere Inhaber eines internationalen Schutzstatus nach Großbritannien überstellt werden, wenn Großbritannien diese Überstellung anfordert.[14]

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge UNHCR, die Kommission für Gleichberechtigung und Menschenrechte[15], der gemeinsame Ausschuss für Menschenrechte, der sich aus Vertretern des britischen Oberhauses und des Unterhauses zusammensetzt, sowie Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Abkommen grundlegend und beklagen weiterhin eklatante Verstöße gegen völkerrechtliche Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).[16] Dabei weisen sie vorrangig auf die Mängel im bisherigen ruandischen Asylsystem hin und zeigen Verstöße gegen das Refoulementverbot durch Ruanda auf, die UNHCR [17] und auch der oberste Gerichtshof[18] festgestellt hatten. Etwaige Veränderungen im ruandischen Asylsystem aufgrund der neuen Regelungen im Abkommen müssten sich erst in der Praxis beweisen, bevor von Ruanda als einem sicheren Drittstaat ausgegangen werden könne.[19] Daran ändert auch der von der britischen Regierung eingebrachte und vom Parlament verabschiedete „Safety of Rwanda (Asylum and Immigration) Act“ nichts, der in Verstoß gegen die Prinzipien der Gewaltenteilung gesetzlich festlegte, dass es sich bei Ruanda um einen sicheren Drittstaat handelt und dass Behörden und Gerichte an diese Feststellung gebunden sind.[20]

Im Mai 2024 veranlasste das britische Innenministerium landesweite Festnahmen, um Abschiebungen nach Ruanda vorzubereiten.[21] Noch ist jedoch keine Abschiebung erfolgt. Bei der einzigen bisher nach Ruanda überstellten Person handelt es um einen bereits abgelehnten Asylbewerber, der sich gegen Zahlung von 3000 Pfund zur Ausreise nach Ruanda bereit erklärt hatte.[22]

 

2.2      Das Italien – Albanien Abkommen

Das Italien-Albanien Abkommen sieht die Durchführung von italienischen Asylverfahren außerhalb des italienischen Territoriums vor.[23] Dafür werden in Albanien zwei Zentren errichtet, in die Italien Schutzsuchende überführen will, unmittelbar nachdem es sie außerhalb italienischer Gewässer auf hoher See aus Seenot aufgenommen hat.[24] Die Zentren werden von Italien finanziert und durch italienische Behörden betrieben; diese führen auch die Asylverfahren nach italienischem Recht durch. Bewacht werden die Zentren von italienischen und albanischen Sicherheitskräften.[25] Die aus Seenot aufgenommenen Menschen werden in den Zentren festgesetzt; ihre Asylanträge sollen im Schnellverfahren überprüft werden.[26] Abgelehnte Asylbewerber*innen sollen direkt aus den Zentren in ihre Herkunftsländer zurückgeführt, anerkannte Flüchtlinge hingegen aus Albanien nach Italien überführt werden. Gegen einen negativen Bescheid können abgelehnte Asylsuchende vor italienischen Gerichten klagen.

Das Abkommen wurde am 6. November 2023 vom albanischen Premierminister Rami und seiner italienischen Amtskollegin Meloni in Form eines „Memorandum of Understanding“ unterschrieben.[27] In Italien wurde das Abkommen im Rahmen eines Gesetzes im Parlament förmlich beschlossen.[28] Auch das albanische Parlament hat dem Abkommen zugestimmt,[29] nachdem das albanische Verfassungsgericht das Abkommen nach einer knappen Entscheidung für verfassungskonform befunden hatte.[30] Die Zentren sollen im August 2024 in Betrieb genommen werden.[31]

Die nationale Menschenrechtsinstitution Albaniens[32], die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatovic[33] sowie Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International[34] und das International Rescue Committee (IRC)[35] haben sich gegen das Abkommen ausgesprochen und völker-, menschen- und seerechtliche Bedenken erhoben. Das Verschiffen der aus Seenot Geretteten nach Albanien im Anschluss an das Aufgreifen könnte – je nachdem, an welcher konkreten Stelle Italien die Personen im Meer aufgenommen hat – ein Verstoß gegen die seerechtliche Verpflichtung sein, Personen in Not so schnell wie möglich an einen sicheren Hafen zu bringen.[36] Denn eine Reise von unter Umständen mehreren Tagen durch teilweise harsche See- und Wetterkonditionen verlängert das Leiden von Personen, die sich in einer Notsituation auf See befunden, unter Umständen traumatisierende Ereignisse wie den Tod weiterer Bootsinsassen erlebt haben und nach wie vor körperlich in einem schlechten Zustand sein mögen. Unter Umständen könnte darin auch eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinne einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gesehen werden.[37]

Ebenfalls kritisiert wird, dass Traumatisierte, Minderjährige und Betroffene von Menschenhandel oder Folter an Bord der italienischen Schiffe schwerlich als solche erkannt werden können. Dies wäre aber erforderlich, wenn – wie Premierministerin Meloni mündlich versicherte – diese Gruppen von einer Überführung nach Albanien und einer Inhaftierung in den Zentren ausgenommen werden sollen.[38] Das Abkommen selbst sieht im Übrigen keine Ausnahmeregelung für besonders verletzliche Personen vor.[39] Die „automatische“ Inhaftierung aller anderen Schutzsuchenden, die keine individuelle Begutachtung des jeweiligen Einzelfalles vorsieht und die nach italienischem Recht bis zu 28 Tagen andauern kann, wird als willkürliche Inhaftierung bewertet, die gegen Art. 5 EMRK verstößt.[40] Da nach dem Abkommen Personen aus den Zentren nicht nach Albanien einreisen können, sondern sie entweder nach einer Anerkennung als international Schutzberechtigte nach Italien oder nach einer Ablehnung ihres Asylantrags in ihre Herkunftsländer überführt werden sollen, ist die Inhaftierungsdauer von der Aufnahmebereitschaft der Herkunftsländer und den Überstellungsregularien Italiens abhängig. Die Inhaftierungszeit kann somit weit über die nun anvisierte Zeit von 28 Tagen hinausgehen.[41]  

 

2.3      Zwischenfazit

Auch wenn die beiden Modelle bisher nicht in die Praxis überführt sind, befürchten sowohl die mit den Verfahren befassten Gerichte als auch Parlamentarier*innen, Menschenrechtsinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen anhand der in den jeweiligen Abkommen getroffenen Verantwortungsteilung mit Ruanda beziehungsweise Albanien eklatante Einschnitte in die Menschenrechte von Schutzsuchenden[42] – so beispielsweise in Bezug auf die Freiheitsbeschränkung bei der Unterbringung, auf Mängel im Asylverfahren und bei den Rechtsschutzmöglichkeiten und in Bezug auf die Versorgung von vulnerablen Personengruppen.

 

3      Übertragbarkeit der Modelle auf Deutschland?

3.1      Das Recht auf Zugang zu Asyl und weitere Rechte von Schutzsuchenden

Schutzsuchende, die sich in Deutschland oder an der Grenze[43] an deutsche Behörden wenden, steht das Recht auf Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren zu. Das leitet sich aus dem Refoulementverbot aus Art. 33 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ab, das Staaten verbietet, Schutzsuchende in den sie verfolgenden Herkunftsstaat zurückführen oder in einen Staat zu überstellen, in dem ihnen eine Rücküberstellung im Sinne einer Kettenabschiebung droht.[44] Ob diese Gefahr besteht, muss in einem Asylverfahren überprüft werden. Auch die EMRK enthält ein Refoulementverbot. Dieses verbietet Vertragsstaaten in Art. 3 EMRK, Personen in einen Staat zu überführen, in dem ihnen Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.[45] Auch aus Art. 3 EMRK leitet sich das Recht auf Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren ab.[46]

Entscheidet sich Deutschland nun, das Asylverfahren nicht in Deutschland durchzuführen, sondern Asylsuchende für die Durchführung ihres Verfahrens an einen Drittstaat zu verweisen oder aber selbst Verfahren im Ausland durchzuführen, gilt die Verpflichtung fort: Deutschland muss sicherstellen, dass den schutzsuchenden Personen im Drittstaat Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren gewährt wird. Außerdem darf ihnen im Drittstaat selbst – beispielsweise durch die Unterbringungssituation – keine Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen.[47]

Eine etwaige Übertragung von Auslagerungsmodellen auf Deutschland muss sich an diesen rechtlichen Anforderungen messen lassen.

 

3.2     Deutsche Verfahren im Ausland?

Medienberichten zufolge ist gerade das italienisch-albanische Modell für die Bundesministerin des Innern interessant.[48] Für ein Modell, das die Durchführung von Asylverfahren durch deutsche Beamt*innen nach deutschem Recht in einem Drittstaat vorsieht, sieht das EU-Sekundärrecht jedoch keine rechtliche Grundlage vor. Die Einführung eines solchen „Satellitenmodells“ könnte demnach europarechtswidrig sein. In einer ersten Einschätzung hatte EU-Kommissarin Ylva Johannson darauf hingewiesen, dass europäisches Recht nicht zur Anwendung komme und dies auch nicht erforderlich sei, da italienische Beamt*innen außerhalb der EU agierten.[49] Auf Nachfrage von Parlamentarier*innen des Europäischen Parlaments gab die EU-Kommission an, die Anwendbarkeit von EU-Recht beim italienischen Modell noch zu überprüfen.[50] Italien fängt im Rahmen des Abkommens mit Albanien Personen aus Seenot auf hoher See ab – die Schutzsuchenden befinden sich also nicht in italienischen Hoheitsgewässern. Ungeachtet, ob im italienischen Fall EU-Recht anwendbar ist oder nicht, muss Deutschland jedoch europarechtskonform agieren. Denn in einem deutschen Modell würden Personen erst nach ihrer Einreise in Deutschland in einen Drittstaat überführt werden. Durch den Gebietskontakt wäre Deutschland verpflichtet, Asylverfahren nach EU-Vorgaben durchzuführen. Mangels Rechtsgrundlage in der noch gültigen RL 2013/32/EU und der künftig geltenden Asylverfahrensverordnung ist damit in der deutschen Variante von der Europarechtswidrigkeit eines Satellitenmodells auszugehen. Die Einführung des Modells ohne Rechtsgrundlage im Europäischen Sekundärrecht würde außerdem den gerade mühsam erstrittenen Kompromiss des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) unterlaufen.

Mit der Überführung von bereits in Deutschland eingereisten Personen in ein von Deutschland im Ausland betriebenes Verfahren würden außerdem Investitionen in enormem Umfang[51] für den Aufbau eines deutschen Systems – inklusive Unterbringungs- und Versorgungsstruktur – einhergehen.

 

3.3      Auslagerung in einen sicheren Drittstaat?

Die vollständige Verantwortungsverlagerung entspricht dem Konzept der sicheren Drittstaaten, das in der noch gültigen RL 2013/32/EU sowie künftig in der Asylverfahrensverordnung[52] geregelt ist. Eine Einführung in Deutschland würde bedeuten, dass eine noch festzulegende Gruppe von Schutzsuchenden nach ihrer Ankunft in Deutschland in einen Drittstaat überstellt würde, der das Verfahren durchführt, im Fall der Anerkennung Schutz bietet beziehungsweise die Personen im Fall ablehnender Bescheide zurückführt. Deutschland müsste allerdings bei der Etablierung – anders als Großbritannien – die Vorgaben des europäischen Sekundärrechts beachten. Art. 38 Abs. 1 RL 2013/32/EU beziehungsweise. künftig Art. 59 Abs. 1 der Asylverfahrensverordnung stellt zunächst Anforderungen an den Drittstaat: Schutzsuchende dürften vor Ort keiner Verfolgung und keinem ernsthaften Schaden ausgesetzt sein. Der Drittstaat müsste außerdem das Refoulementverbot aus Art. 33 Abs. 1 der GFK und aus Art. 3 EMRK achten, also Schutzsuchenden Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren eröffnen und Schutz bieten, wenn sie als Flüchtlinge anerkannt werden. Außerdem müsste der Staat auch für den einzelnen konkreten Asylsuchenden sicher sein (Art. 38 Abs. 2 lit. c) RL 2013/32/EU beziehungsweise Art. 59 Abs. 5 lit. a) Asylverfahrensverordnung).

Im Rahmen der individuellen Prüfung, ob der konkrete Asylsuchende in den Drittstaat überführt werden kann, ist auch die Anforderung des Verbindungselements aus Art. 59 Abs. 5 lit. b) der Asylverfahrensverordnung[53] zu berücksichtigen. Ein Schutzsuchender kann nur an einen Staat verwiesen werden, zu dem für ihn eine Verbindung besteht, die es vernünftig erscheinen lässt, dass er sich dorthin begibt.[54] Dafür genügt – wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum Verbindungselement in der Asylverfahrens-Richtlinie ausgeführt hat[55] – allein eine unmittelbare Einreise aus oder eine Durchreise durch den Drittstaat nicht.[56] Auch im Rahmen der Asylverfahrens-VO reicht der reine Transit als Verbindung zum Drittstaat nicht aus. Im Erwägungsgrund 48 der Asylverfahrensverordnung heißt es dazu: „Die Verbindung zwischen dem Antragsteller und dem sicheren Drittstaat könnte insbesondere dann als erwiesen angesehen werden, wenn sich Familienangehörige des Antragstellers in diesem Staat aufhalten oder der Antragsteller in diesem Staat niedergelassen war oder sich dort aufgehalten hat.“ Im Falle einer Anwendung des Sichere-Drittstaats-Konzepts in Deutschland müssten also Kriterien eine hinreichende Verbindung definieren.[57]

Das Verbindungskriterium war innerhalb der Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems umstritten. In einem offenen Brief an die Kommission haben sich im Mai 2024 fünfzehn Mitgliedstaaten für Veränderungen an den Voraussetzungen des Sicheren-Drittstaats-Konzepts, insbesondere in Bezug auf das Verbindungselement, eingesetzt.[58] Die Kommission wird das Sichere-Drittstaats-Konzept bis 12. Juli 2025 – und somit noch vor der Frist, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) für die Umsetzung aller Regelungen vorsieht – evaluieren und gegebenenfalls Änderungen vorschlagen.[59] Aus menschenrechtlicher Perspektive ist das Verbindungselement von besonderer Bedeutung, da ein Asylsuchender nur dann Aussagen über seine Sicherheit in einem Staat treffen kann, wenn er die Situation vor Ort kennt und einschätzen kann. Da ihn bei der behördlichen individuellen Überprüfung der Überstellungsmöglichkeit die Beweislast trifft, kommt es auf seine Kenntnisse vom Drittstaat an.[60]

Das Verfahren in einem sicheren Drittstaat wird voraussichtlich in geschlossenen Zentren stattfinden, um Schutzsuchende am erneuten Versuch der Einreise nach Deutschland oder in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu hindern. Wenn Personen vor Ort festgesetzt werden, müsste Deutschland sicherstellen, dass dies keine von Art. 5 EMRK untersagte willkürliche Inhaftierung ist und dass der einzelne Schutzsuchende dagegen wirksam gerichtlich vorgehen kann (Art. 5 Abs. 4 EMRK).

Auch müssten die Bedingungen der Unterbringung mit Art. 3 EMRK kompatibel sein – also keinen Anlass zur Sorge bieten, dass Schutzsuchende erniedrigende oder menschenunwürdige Behandlung erfahren. Selbst in den neu etablierten Closed Controlled Access Centern in Mitgliedstaaten herrschen teilweise unzumutbare Zustände.[61] Es wird ungleich herausfordernder für Deutschland sein, eine menschenwürdige Behandlung von Schutzsuchenden in Drittstaaten sicherzustellen. Deutschland müsste außerdem gewährleisten, dass Schutzsuchenden nicht die rechtswidrige Zurückweisung innerhalb einer Gruppe droht, ohne dass ihr Schutzbegehren individuell überprüft wird. Andernfalls könnte ein Verstoß gegen Art 4 des 4. Zusatzprotokolls der EMRK vorliegen, das kollektive Zurückweisungen verbietet. Nach der Anerkennung muss einem Flüchtling außerdem Folgerechte im Sinne eines wirksamen Schutzes („effective protection“) gewährt werden.[62]

Für eine Verletzung all dieser Rechte wäre Deutschland rechtlich mitverantwortlich.[63]

 

3.4      Zwischenfazit

Aufgrund der europäischen Binnenlage Deutschlands und mangels einer europäischen Rechtsgrundlage kann ein an Italien angelehnte Satellitenmodell nicht auf Deutschland übertragen werden. Die Anwendung des Sichere-Drittstaats-Konzepts unterliegt sehr hohen rechtlichen Anforderungen, die in der praktischen Umsetzung – in Bezug auf die Ausgestaltung des Verfahrens, die Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes, die Bedingungen der Unterbringung und gegebenenfalls die Ausgestaltung des Festsetzens der Schutzsuchenden – mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen.

 

3.5      Praktische Erwägungen

Neben den schwer zu erfüllenden rechtlichen Anforderungen und dem hohen Risiko von Menschenrechtsverletzungen im Fall einer Umsetzung sprechen praktische Erwägungen gegen eine Auslagerung von Asylverfahren: Die Umsetzung ist sehr teuer und schafft dafür oftmals lediglich geringe Aufnahmekapazitäten in den Drittstaaten. So rechnet Italien über die nächsten fünf Jahre mit Kosten von fast 600 Millionen Euro.[64] Die bisherigen Kosten für das Ruanda-Großbritannien Abkommen belaufen sich Medienberichten zufolge auf über eine halbe Milliarde Pfund. Darüber hinaus zahlt die britische Regierung in einen Fonds für Ruanda ein, in den bisher 220 Millionen Pfund geflossen sind. In 2024/2025 sollen weitere 50 Millionen Pfund gezahlt werden. Hinzu werden Zahlungen pro nach Ruanda überführten Asylsuchenden kommen.[65] Wie viele Plätze im Falle einer Umsetzung tatsächlich in Ruanda entstehen, scheint noch nicht abschließend geklärt.[66] Medienberichten zufolge sollen es 1000 Personen über einen Zeitraum von fünf  Jahren sein.[67] In Albanien können in beiden Lagern zeitgleich bis zu 3000 Personen untergebracht werden.[68] Vergleicht man diese Kapazitäten mit der Anzahl von Asylantragsteller*innen in Deutschland pro Jahr, ist fraglich, ob eine Auslagerung überhaupt einen relevanten Beitrag zur Reduzierung leisten könnte.[69]  Befürworte*innen von Auslagerungsmodellen argumentieren in Bezug auf die Kosten mit dem Abschreckungseffekt, der die immensen Summen auf lange Sicht rechtfertige. Diese postulierte Abschreckungswirkung ist allerdings bisher nicht belegt.[70]

Eine Anwendung des Sichere-Drittstaatskonzepts würde auch keine behördliche Entlastung bewirken, da die für das Drittstaatsverfahren ausgewählte Gruppe dennoch ein Verfahren in Deutschland durchlaufen würde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müsste in jedem Einzelfall prüfen, ob der Drittstaat für die konkrete asylantragstellende Person sicher ist und ob zwischen ihr und dem Drittstaat eine Verbindung besteht, die es als vernünftig erscheinen lässt, die Person für die Durchführung des Asylverfahrens an diesen Drittstaat zu verweisen.[71] Eine Entlastung der BAMF- und Unterbringungsstrukturen, die für dieses Verfahren zur Verfügung stehen müssten, wäre also nicht zu erwarten.

 

3.6      Strategische Erwägungen

Die Auslagerung von Asylsuchenden wird ausschließlich vor dem Hintergrund des Ziels diskutiert, die Zahlen von Asylsuchenden in Deutschland zu reduzieren.[72] Die Einführung einer Auslagerung von Asylverfahren auf Drittstaaten aus diesem Motiv heraus könnte das Ansehen der deutschen Außenpolitik empfindlich beschädigen, die sich als menschenrechts- und wertebasiert präsentiert.[73] Auslagerungsmodelle verstärken außerdem oft historische oder politische Ungleichheiten zwischen Staaten. So handelt es sich sowohl bei Ruanda als auch bei Albanien um frühere Kolonien von Großbritannien und Italien; Italien unterstützt Albanien außerdem in seinem Bestreben, in die EU aufgenommen zu werden. Auch das ermöglicht Italien gegebenenfalls Druck auf Albanien ausüben zu können.

Eine Politik der Auslagerung der Verantwortung für Schutzsuchende wird darüber hinaus voraussichtlich auch globale Auswirkungen haben: Es ist damit zu rechnen, dass andere Staaten dem Beispiel folgen und ebenfalls Externalisierungsmechanismen einrichten – auch Staaten in Krisen- beziehungsweise. Nachbarregionen, die derzeit über 70 Prozent der Schutzsuchenden aufnehmen.[74] Das könnte einen unerwünschten und gefährlichen Dominoeffekt auslösen, der das bestehende Flüchtlingsschutzsystem unterminiert,[75] eine Destabilisierung von Staaten im globalen Süden bewirkt und darüber hinaus eine eklatante Verstärkung der globalen Migrationsbewegung auslöst.[76]

 

4      Fazit

Für eine Auslagerung von Asylverfahren auf einen Drittstaat bestehen nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte sehr hohe rechtliche Anforderungen, die kaum oder gar nicht zu erfüllen sind. Selbst wenn die Ausgestaltung einer Verfahrensverlagerung auf einen Drittstaat auf dem Papier den völker- und menschenrechtlichen Vorgaben sowie den Anforderungen des EU-Sekundärrechts entspräche: die praktische Umsetzung des Systems ginge dennoch mit enormen tatsächlichen Risiken einer Verletzung der Rechte von Schutzsuchenden sowie von Flüchtlingen und anderen international Schutzberechtigten einher. Ein solches System zu errichten wird, wie die Beispiele Italiens und Großbritanniens zeigen, darüber hinaus enorme Kosten verursachen. Die Auslagerung könnte außerdem politische Folgewirkungen auslösen, die nicht im Interesse Deutschlands liegen: So könnte das außenpolitische Ansehen Deutschlands Schaden nehmen und die tatsächliche Anzahl von Schutzsuchenden sich durch Nachahmungs-Effekte in anderen Staaten weltweit eklatant erhöhen. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist aber vorrangig zu befürchten, dass die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes und seine globalen Folgen den ohnehin labilen Schutz von Flüchtlingen weltweit weiter verringern und ihre Sicherheit massiv gefährden würde.

Das Institut spricht sich deshalb mit Blick auf diese Gefahren mit Nachdruck dagegen aus, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern oder die Ausweitung dieser Politik auf europäischer Ebene zu befördern.

 

Fußnoten

[1] Beschluss zu TOP 6: „Flüchtlingspolitik – Humanität und Ordnung“, S. 4, Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschef der Länder vom 23.11.2023 (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/2235232/cfdda9bbcb5618770e9a8dde8fedea87/2023-11-07-mpk-fluechtlingspolitik-data.pdf?download=1) (abgerufen am: 4.3.2024).

[2] Top 4: „Humanität und Ordnung, Migrationsgeschehen wirksamer steuern“, Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 220. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 8.12.2023 (https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2023-12-08-06/beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=3) (abgerufen am: 18.2.2024).

[3] Koalitionsvertrag von SPD, den Grünen und der FDP: „Mehr Fortschritt wagen“, S. 112 (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf) (abgerufen am: 6.3.2024). Danach sollten aber lediglich geprüft werden, ob die Feststellung des Schutzstatuts in Ausnahmefällen unter Achtung der GFK und EMRK in Drittstaaten möglich ist.

[4] Wahlprogramm der Freien Demokraten, Streitbar in Europa, S. 21 (https://www.fdp.de/sites/default/files/2024-05/wahlprogramm_fdp_europawahl-2024.pdf) (abgerufen am: 6.6.2024).

[5] Im Grundsatzprogramm heißt es: Wir wollen das Konzept der sicheren Drittstaaten realisieren. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren. Dazu wird mit dem sicheren Drittstaat eine umfassende vertragliche Vereinbarung getroffen. Die Anforderungen an sichere Drittstaaten sind auf den Kern der Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu beziehen.“ (In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen, S. 23f. (https://www.grundsatzprogramm-cdu.de/sites/www.grundsatzprogramm-cdu.de/files/downloads/240507_cdu_gsp_2024_beschluss_parteitag_final_1.pdf) (abgerufen am: 6.6.2024).

[6] Mit Sicherheit Europa. Für ein Europa, das schützt und nützt, S. 7f (https://www.europawahl.cdu.de/sites/www.europawahlprogramm.cdu.de/files/docs/europawahlprogramm-cdu-csu-2024_0.pdf) (abgerufen am: 6.6.2024).

[7] Abkommen zwischen der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Regierung der Republik Ruanda über die Einrichtung einer Asylpartnerschaft zur Stärkung der gemeinsamen internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen und Migranten (https://www.gov.uk/government/publications/uk-rwanda-treaty-provision-of-an-asylum-partnership/uk-rwanda-treaty-provision-of-an-asylum-partnership-accessible) (abgerufen am: 4.3.2024).

[8] Vgl. section 2 subsections 4 und 5 Illegal Migration Act (https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2023/37) (abgerufen am: 28.2.2024).

[9] Unter bestimmten Voraussetzungen können davon z.B. unbegleitete Minderjährigen (section 4) sowie Opfer von Menschenhandel (section 22) ausgenommen werden.

[10] Oberster Gerichtshof, U. v. 15.11.2023, 2023/0093, AAA u.a. vs. Secretary of State for the Home Department.

[11] UNHCR, Analysis of the Legality an Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement: an update, 15.1.2024, S. 4, Rn. 17 (https://www.unhcr.org/uk/publications/unhcr-analysis-legality-and-appropriateness-transfer-asylum-seekers-under-uk-rwanda) (abgerufen am: 7.3.2024).

[12] Art. 15 des Abkommens (Fn. 7).

[13] UNHCR, Analysis of the Legality an Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement: an update, (Fn. 11), a.a.O.

[14] Art. 10 Abs. 3 des Abkommens (Fn. 7).

[15] Dabei handelt es sich um die britische nationale Menschenrechtsinstitution (https://www.equalityhumanrights.com/).

[16] Kommission für Gleichberechtigung und Menschenrechte, Stellungnahme zur zweiten Lesung im Oberhaus v. 29.1.2024, (https://www.equalityhumanrights.com/safety-rwanda-asylum-and-immigration-bill-house-lords-second-reading-29-january-2024?return-url=https%3A%2F%2Fwww.equalityhumanrights.com%2Fsearch%3Fkeys%3DRwanda) (abgerufen am: 29.2.2024); UNHCR, Analysis of the Legality and Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement: an update, (Fn. 11), S. 6; Gemeinsame Ausschuss für Menschenrechte des Unterhauses und des Oberhauses: report safety of Rwanda (Asylum and Immigration) Bill, S. 16 (https://committees.parliament.uk/publications/43292/documents/215535/default/) (abgerufen am: 6.3.2024).

[17] UNHCR Analysis of the Legality and Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement: an update, (Fn. 11), S. 3.

[18] Oberster Gerichtshof, U. v. 15.11.2024, 2023/0093, AAA u.a. vs. Secretary of State for the Home Department.

[19] Gemeinsame Ausschuss für Menschenrechte des Unterhauses und des Oberhauses: Bericht safety of Rwanda (Asylum and Immigration) Bill (Fn. 16), S. 13; UNHCR, Analysis of the Legality an Appropriateness of the Transfer of Asylum-Seekers under the UK-Rwanda arrangement: an update (Fn. 11), S. 4, Rn. 19.

[20] Section 2 subsection 2 des Safety of Rwanda (Asylum and Immigrations) Bill (https://publications.parliament.uk/pa/bills/cbill/58-04/0038/230038.pdf). Zu den Auswirkungen des Gesetzes auf das Rechtsstaatsprinzip und die Gewaltenteilung vergleiche insbesondere Kommission für Gleichberechtigung und Menschenrechte (Fn. 16), S. 2. Das Gesetz war am 24.4.2024 verabschiedet worden (https://www.tagesschau.de/ausland/grossbritannien-ruanda-abschiebegesetz-abstimmung-100.html) (abgerufen am 14.6.2024).

[21] Tagesschau (1.5.2024): Britische Polizei beginnt mit Festnahme von Migranten (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/grossbritannien-festnahmen-ruanda-100.html) (abgerufen am: 11.6.24).

[22] In: spiegel (1.5.2024): Großbritannien findet ersten Freiwilligen für Ausreise nach Ruanda (https.//www.spiegel.de/ausland/grossbritannien-erster-abgelehnter-asylbewerber-freiwillig-nach-ruanda-ausgereist-a-59c29806-c674-4404-8537-6e47729b8c0d (abgerufen am: 11.6.2024).

[23] Protokoll zwischen der Regierung der italienischen Republik und dem Ministerrat der Republik Albanien zur Verstärkung der Zusammenarbeit in Migrationsfragen (https://www.esteri.it/wp-content/uploads/2023/12/PROTOCOLLO-ITALIA-ALBANIA-in-materia-migratoria.pdf) (abgerufen am: 4.3.2024).

[24] Vgl. Art. 3.2. des Entwurfs des Gesetzes zur Umsetzung des Abkommens, zitiert nach Amnesty International: “The Italy-Albania Agreement in migration: Pushing boundaries, threatening rights“, 19.1.2024, S. 4 (https://www.amnesty.org/en/documents/eur30/7587/2024/en/) (Abgerufen am: 5.3.2024)

[25] Süddeutsche Zeitung (14.12.2024): Der Pakt zwischen Italien und Albanien liegt auf Eis (https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-albanien-migranten-asylverfahren-1.6319777) (abgerufen am: 4.3.2024).

[26] Art. 4.3 des Abkommens (Fn. 23).

[27] Tagesschau (7.11.2023): Kritik an Migrations-Deal mit Italien (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/italien-albanien-aufnahmezentren-migranten-100.html) (abgerufen am: 2.3.2024).

[28] AP (15.2.2024): Italy’s upper chamber gives final OK to deal with Albania to house migrants during asylum process (https://apnews.com/article/migration-italy-albania-asylum-agreement-2d703a627b66b06ab1de47a34647371b) (abgerufen am: 3.3.2024)

[29] AP (22.2.2024): Albanian Parliament approves controversial deal to hold migrants for Italy (https://apnews.com/article/migration-italy -albania-asylum-agreement-meloni-rama-c48432ca4a1b40d19209bd96063cd752), (abgerufen am 3.3.2024).

[30] Euronews (29.1.2024): Flüchtlingszentren: Albanisches Verfassungsgericht billigt Migrationsdeal mit Italien (https://de.euronews.com/2024/01/29/fluchtlingszentren-albanisches-verfassungsgericht-billigt-migrationsdeal-mit-italien) (abgerufen am: 5.3.2024).

[31] zdf heute (5.6.2024): Meloni: Asylzentren in Albanien ab August, (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/meloni-fluechtlingslager-albanien-betrieb-august-100.html) (abgerufen am: 10.6.2024).

[32] Die albanische Menschenrechtsinstitution Avokati i Popoullit (https://www.avokatipopullit.gov.al/en/index/home) verfasste eine „third party intervention“ für das Verfahren vor dem albanischen Verfassungsgericht.

[33] Dunja Mijatovic, Italy-Albania agreement adds to worrying European trend towards externalising asylum procedures, Stellungnahme der Menschenrechtskommissarin des Europarates vom 13.11.2023 (https://www.coe.int/de/web/commissioner/-/italy-albania-agreement-adds-to-worrying-european-trend-towards-externalising-asylum-procedures) (abgerufen am: 5.3.2024).

[34] Amnesty International, The Italy-Albania Agreement in migration: Pushing boundaries, threatening rights, Fn. 24.

[35] IRC, Proposed Italy-Albania migration deal is “costly, cruel and counterproductive”, 26.1.2024 (https://www.rescue.org/eu/press-release/irc-proposed-italy-albania-migration-deal-costly-cruel-and-counterproductive) (abgerufen am: 5.3.2024)

[36] Amnesty International, The Italy-Albania Agreement in migration: Pushing boundaries, threatening rights, Fn. 24, S. 5.

[37] Amnesty International, Ebd.

[38] So: Amnesty International: Ebd., S. 4.

[39] npr (25.1.2024): Italy’s lower chamber of parliament approves deal with Albania to house migrants (https://www.npr.org/2024/01/25/1226790687/italys-lower-chamber-of-parliament-approves-deal-with-albania-to-house-migrants) (abgerufen am: 13.6.2024).

[40] Amnesty International, The Italy-Albania Agreement in migration: Pushing boundaries, threatening rights, Fn. 24, S. 8.

[41] Amnesty International, The Italy-Albania Agreement in migration: Pushing boundaries, threatening rights, Fn. 24, S. 9.

[42] Dies deckt sich im Übrigen mit Erfahrungen bei der Einführung von Auslagerungsmodellen weltweit, so z.B. beim so genannten „offshore processing“ Australiens, das Asylverfahren auf den Inseln Nauru oder Manus durchführt. Zur Kritik vgl. Amnesty international, UK/EU/UNHCR: Unlawful and unworkable – extra-territorial processing of asylum claims, 17.06.2003, https://www.amnesty.org/en/documents/ior61/004/2003/en/ (abgerufen: 13.6.2024).

[43] Hruschka, in Hruschka, GFK Handkommentar, 2022, S. 776, Rn. 37.

[44] Hruschka, in Hruschka, GFK Handkommentar, 2022, S. 781, Rn. 51.

[45] Ständige Rechtsprechung seit EGMR U. v. 7,.7.1989, Soering/Vereintes Königreich, Rn. 91.

[46] EGMR, U. v. 22.11.2019 – Nr. 47287/15 – Ilias/Ungarn, Rn. 133.

[47] EGMR, U. v. 22.11.2019 – Nr. 47287/15 – Ilias/Ungarn, Rn. 131.

[48] Im Interview mit dem Stern sagt Bundesinnenministerin Faeser: „Ich schaue mit Spannung darauf, was Italien gemeinsam mit Albanien macht.” (stern (27.5.2024): Innenministerin Faeser zieht “Albanien-Modell” für Drittstaaten-Verfahren in Betracht (https://www.stern.de/politik/deutschland/nancy-faeser–innenministerin-zieht–albanien-modell–in-betracht-34743010.html) (abgerufen am: 11.6.2024)).

[49] Europa News (15.11.2023): EU-Kommission: Migrationsdeal kein Verstoß gegen EU Recht (https://de.euronews.com/my-europe/2023/11/15/kommission-migrationsdeal-kein-verstoss-gegen-eu-recht) (abgerufen am: 13.6.2024).

[50] Vgl. die schriftliche Anfrage von MdEPs an die EU-Kommission (Parlamentarische Anfrage – E-003430/2023) sowie die Antwort von Ylva Johannson (https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2023-003430-ASW_DE.html).

[51] Zu den Kosten siehe unter 3.5 Praktische Erwägungen.

[52] Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. April 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU (COM(2016)0467/COM(2020)0611 – C8-0321/2016 – 2016/0224A(COD)).

[53] Siehe auch: Art. 38 Abs. 2 lit. a) RL 2013/32/EU.

[54] Allerdings legt Art. 77 der Asylverfahrensverordnung fest, dass just die Sichere-Drittstaatenregelung bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung durch die Kommission überprüft werden soll. Die Kommission kann gegebenenfalls gezielte Änderungsvorschläge unterbreiten.

[55] EuGH, U. vom 19.03.2020, C-564/18, Rn. 47f.; EuGH, U. vom 16.11.2021, C-821/19, Rn. 36ff.

[56] Vgl. Wissenschaftlicher Dienst, Das Konzept der sicheren Drittstaaten und sicheren europäischen Drittstaaten in der Asylverfahrensrichtlinie, EU 6 – 3000 -046/23, S. 5f.

[57] Vgl. Wissenschaftlicher Dienst, Fragen zum Konzept der sicheren Drittstaaten im deutschen und europäischen Asylrecht, WD 3 – 3000 – 095/23, S. 15.

[58] https://uim.dk/media/12635/joint-letter-to-the-european-commission-on-new-solutions-to-address-irregular-migration-to-europe.pdf (abgerufen am: 6.6.2024).

[59] Vgl. Art. 77 Abs. 4 der Asylverfahrensverordnung.

[60] Art. 59 lautet: Das Konzept des sicheren Drittstaats darf nur zur Anwendung kommen, wenn (…) der Antragsteller im Rahmen einer Einzelfallprüfung keine Umstände vorbringen kann, die begründen, warum das Konzept des sicheren Drittstaats auf ihn nicht anwendbar ist. (Hervorhebung von der Autorin).

[61] Der EGMR ordnete am 5.2.2024 z.B. eine einstweilige Maßnahme im Fall einer Mutter und ihrem Kind an, die auf Samos im Samos Closed Controlled Access Center festgesetzt sind, EGMR, 5.2.2024, H.T. u. M.T./Griechenland, Antragsnr. 2868/24 (https://ihaverights.eu/european-court-of-human-rights-grants-interim-measures).

[62] Art. 6 GFK und Art. 57 Asylverfahrensverordnung.

[63] Siehe auch UNHCR, Guidance Note on bilateral and/or multilateral transfer arrangements of asylum seekers, Mai 2013, Rn. 3 viii), S. 3 und UNHCR, Note on the „Externalization“ of International Protection, 28.5.2021, Rn. 9.b., S. 2.

[64] npr (25.1.2024): Italy’s lower chamber of parliament approves deal with Albania to house migrants (https://www.npr.org/2024/01/25/1226790687/italys-lower-chamber-of-parliament-approves-deal-with-albania-to-house-migrants) (abgerufen am: 13.6.2024).

[65] The Guardian (1.3.2024): Rwanda plan to cost UK £1.8m for each asylum seeker, figures show (https://www.theguardian.com/uk-news/2024/mar/01/rwanda-plan-uk-asylum-seeker-cost-figures) (abgerufen: 13.6.2024).

[66] Tony Thompson, Full Fact (21.12.23): how many asylum seekers can the Rwanda scheme take? (https://fullfact.org/news/keir-starmer-rwanda-capacity/) (abgerufen am: 13.6.2024).

[67] The migration observatory at the University of Oxford, 31.5.2024, Q&A: The UK’s policy to send asylum seekers to Rwanda (https://migrationobservatory.ox.ac.uk/resources/commentaries/qa-the-uks-policy-to-send-asylum-seekers-to-rwanda/) (abgerufen am: 13.6.2024).

[68] Art. 4 des Abkommens (Fn. 23). Italien geht davon aus, dass 36.000 Personen jährlich in Albanien das Verfahren durchlaufen (Tagesschau (21.4.2024): Albanien stimmt für Migrationsabkommen mit Italien (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/albanien-fuer-migrationsabkommen-mit-italien-100.html (abgerufen am: 13.6.2024)). Das hängt aber wiederum an der Frage, wie schnell die Verfahren sind bzw. wie schnell Überführungen von Schutzberechtigten nach Italien und Rückführungen von abgelehnten Asylsuchenden erfolgen.

[69] Im Jahr 2023 wurden 329.120 Erstantragsteller Asylanträge beim Bundesamt gestellt. (https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2024/240108-asylgeschaeftsstatistik-dezember-und-gesamtjahr-2023.html?nn=284830).

[70] Vgl. Die Externalisierung des europäischen Flüchtlingsschutzes, SWP-Aktuell, Nr. 12 März 2024, S. 2 (https://www.swp-berlin.org/10.18449/2024A12/) (abgerufen am: 13.6.2024).

[71] S.o. unter 3.3.

[72] So heißt es im Beschluss 6.1. der MPK: „Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass die Zahl der im Wege der Fluchtmigration nach Deutschland Kommenden deutlich und nachhaltig gesenkt werden muss.“, vgl. auch Äußerungen von Beteiligten im Vorfeld und im Nachgang der Ministerpräsidentenkonferenzen, z.B. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ministerpraesidentenkonferenz-migration-100.html und „Asylverfahren in Drittstaaten? Länder fordern Positionierung – und setzen Scholz eine Frist“, Merkur, 6.3.2024 (https://www.merkur.de/politik/asyl-gipfel-konferenz-bund-laender-treffen-cdu-union-ampel-koalition-olaf-scholz-zr-92873048.html) (Abgerufen am: 12.6.2024).

[73] Koalitionsvertrag, Mehr Fortschritt wagen, S. 113; Auswärtiges Amt: Deutschland setzt sich weltweit für die Menschenrechte ein, 21.12.2022, (https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/menschenrechts-bericht-der-bundesregierung-2151168).

[74] Die Aufnahmeländer sind oft arme Staaten: 76% aller Schutzsuchenden finden Aufnahme in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen (UNHCR, figures at a glance (https://www.unhcr.org/about-unhcr/who-we-are/figures-glance)).

[75] So auch: UNHCR, Note on the „Externalization“ of International Protection, Mai 2013, S. 1. In Großbritannien zeigte sich dieser Effekt bereits: So rechtfertigte Pakistan die Ausweisung von tausenden von afghanischen Geflüchtete nach Afghanistan mit Verweis auf das Abkommen zwischen GB und Ruanda (House of Commons and House of Lords, Joint Committee on Human Rights, Safety of Rwanda (Asylum and Immigration) Bill, 2. Bericht der Sitzungsperiode 2023-2024, Rn. 119) (https://committees.parliament.uk/publications/43292/documents/215535/default/) (abgerufen am: 13.6.2024).

[76] Siehe auch Dunja Mijatovic, Menschenrechtskommissarin des Europarates, Stellungnahme vom 13.11.2024, Fn. 33.