Die Grenzen der Externalisierung: Zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittstaaten

Pauline Endres de Oliveira, Professorin, Humboldt-Universität zu Berlin[1]

 

Dieser Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Grenzen der Auslagerung von Asylverfahren an Drittstaaten und nimmt dabei Modelle in den Blick, die die aktuelle politische Debatte prägen. Nach einem Überblick über den Stand der Debatte (A.), diskutiert der Beitrag am Beispiel der territorialen Auslagerung von Asylverfahren, unter Berücksichtigung des sog. „Albanien-Modells“ (B.), sowie der Ausweitung des Konzepts sicherer Drittstaaten (C.), vor dem Hintergrund des sog. „Ruanda-Modells“, wesentliche rechtliche Fragen. Abschließend wird im Fazit (D.) vor allem auf das Abschreckungsargument eingegangen, das die Debatte um die Auslagerung von Asylverfahren prägt.

 

1. Zum Stand der aktuellen Debatte zur Auslagerung von Asylverfahren

Die aktuelle Debatte zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittstaaten legt den Fokus auf Abschreckung. Dabei geht es um zwei Fallkonstellationen, die jeweils Personen betreffen, die entweder bereits im Territorium eines möglichen Aufnahmestaates angekommen sind, oder die auf hoher See vor der Ankunft aufgegriffen werden. Zur Diskussion steht zum einen die territoriale Auslagerung von Asylverfahren, also die Durchführung von Verfahren in einem bestimmten Drittstaat durch einen EU-Mitgliedstaat, wie es etwa Italien in Albanien plant.[2] Bei dieser Variante ist der jeweilige EU-Mitgliedstaat sowohl für das Verfahren als auch für die Schutzgewährung und – im Falle einer Ablehnung des Asylantrags – auch für den Vollzug der Abschiebungen zuständig. Der kooperierende Drittstaat stellt lediglich einen Teil seines Territoriums zum Zwecke der Errichtung eines „Asylzentrums“ zur Verfügung. Bei dieser Variante sind zahlreiche rechtliche und praktische Fragen offen, da das einzig existierende (außereuropäische) Beispiel, Australiens „Pacific Solution“, mit erheblichen Menschenrechtsverletzungen einhergeht und nicht den gewünschten politischen Effekt erzielt.[3]

Die zweite Variante, die die aktuelle Debatte prägt, ist die Ausweitung des Konzepts sicherer Drittstaaten, welches im Unionsrecht bereits existiert.[4] Die Anwendung des Konzepts bedeutet, dass die Verantwortung für die Durchführung der Asylverfahren und die anschließende Schutzgewährung komplett an einen kooperationsbereiten Drittstaat ausgelagert wird. So plant etwa die Regierung Großbritanniens in Absprache mit Ruanda die Asylanträge von irregulär eingereisten Personen als „unzulässig“ abzulehnen und diese dann nach Ruanda zu überstellen.[5] Bisher sind die Überstellungen an menschenrechtlichen Überstellungsverboten gescheitert. Beim sog. „EU-Türkei-Deal“ von 2016,[6] einem Modell mit ähnlicher Zielrichtung, scheitern Überstellungen vor allem am Kooperationswillen der Türkei, die seit 2020 keine Personen mehr über diesen „Deal“[7] aufnimmt.[8] Beide Modelle werfen erhebliche rechtliche Bedenken auf, die auch die praktische Durchführbarkeit solcher Verfahren in Frage stellen. Das Votum der durch das BMI seit Februar 2024 angehörten Sachverständigen zur Frage der Auslagerung von Asylverfahren viel demnach ganz überwiegend kritisch aus.[9] Dennoch fordern die Bundesländer weiterhin die Prüfung konkreter Drittstaatenmodelle.[10]

Die Auslagerung von Asylverfahren ist nicht per se rechtswidrig. Es ist grundsätzlich denkbar, die Prüfung von Asylanträgen unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)[11] und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)[12] auch in Drittstaaten außerhalb der EU durchzuführen. Bei der rechtlichen Bewertung kommt es jedoch auf die konkrete rechtliche und praktische Ausgestaltung extraterritorialer Asylverfahren an.[13] So können extraterritoriale Asylverfahren, die zusätzlich zum territorialen Asylzugang durchgeführt werden, eine Alternative zu irregulärer und gefährlicher Fluchtmigration bieten, Staaten eine kontrollierte Aufnahme ermöglichen und gleichzeitig internationale Solidarität fördern (sog. „Hinwegmodell“).[14] Während sich über 70 Prozent der Schutzsuchenden weltweit in außereuropäischen Staaten in der Nähe von Konfliktregionen aufhalten, sterben jährlich tausende Menschen bei dem Versuch, Asyl in der EU zu beantragen.[15] Gleichzeitig stellt die unkontrollierte und ungeplante Aufnahme von irregulär ankommenden Schutzsuchenden Aufnahmestaaten vor administrative Herausforderungen. Es gibt zwar kein Recht auf Einreise zur Asylantragstellung in einem bestimmten Staat. Sobald Schutzsuchende das Territorium eines Staates erreicht haben, oder dieser Schutzsuchende unter seine Kontrolle bringt, etwa auf einem Schiff auf hoher See, greifen aber grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen, etwa aus der EMRK, sowie das Schutzsystem der GFK.[16] Vor diesem Hintergrund ist zu beobachten, dass die EU ihre Grenzen immer weiter externalisiert, wodurch der die flüchtlingsrechtliche Verantwortung auslösende Kontakt vermieden wird.[17] Bislang ist es weder möglich, noch von den Regelungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vorgesehen, einen Asylantrag außerhalb des EU-Territoriums zu stellen.[18] Sichere Zugangswege wie Resettlement oder humanitäre Visa existieren nur vereinzelt.[19] Asylsuchende sind also regelmäßig auf irreguläre Fluchtwege angewiesen.

Anders als bei komplementären extraterritorialen Asylverfahren zur Sicherstellung eines legalen Erstzugangs in die EU, geht es bei den aktuell diskutierten Vorschlägen allerdings jeweils um Modelle zur Verantwortungsauslagerung und Abschreckung von Asylsuchenden. Somit bieten diese Varianten der Externalisierung von Asylverfahren keine effektive Alternative zur irregulären Einreise und werfen zahlreiche rechtliche und praktische Bedenken auf. Je nach Fallgruppe (B. oder C.) ergeben sich Unterschiede im Hinblick auf das anwendbare Recht sowie die Rechtsstellung der Schutzsuchenden während und nach der Asylantragsprüfung. Gleichzeitig zeigt sich ein wesentliches gemeinsames Merkmal: Im Falle der Anwendung solcher Modelle durch Deutschland, bestünde in jedem Fall eine rechtliche Verantwortung für die Überstellung der betreffenden Schutzsuchenden aus Deutschland in den jeweiligen Drittstaat – entweder um dort dann in eigens dafür vorgesehenen Zentren ein Asylverfahren zu durchlaufen, oder um dort ein Verfahren und ggf. Schutz von dem jeweiligen Drittstaat zu erhalten. Diese Überstellungen gehen alle mit dem Recht auf ein Vorverfahren und individuelle Rechtsschutzmöglichkeiten einher. Diese und weitere Anforderungen werden nachfolgend anhand der beiden Beispielsmodelle diskutiert.

 

2. Die territoriale Auslagerung von Asylverfahren: Ein Instrument der Abschreckung

Das Konzept der territorialen Auslagerung von Asylverfahren sieht vor, dass Asylsuchende nach einem Aufgriff auf hoher See, oder auch nach ihrer Ankunft in der EU, in einen Drittstaat überstellt werden, um dort ihr Asylverfahren zu führen. Im Falle einer Schutzgewährung werden sie wieder zurück in die EU gebracht. Im Falle einer Ablehnung direkt aus dem jeweiligen Drittstaat in ihren Herkunftsstaat, oder einen anderen aufnahmebereiten Drittstaat überstellt. Dabei sollen die Asylsuchenden in dem von Italien geplanten Verfahren auf hoher See aufgegriffen und nach Albanien gebracht werden. Ein EU-Mitgliedstaat, der ein solches Verfahren durchführt wäre in jedem Fall aufgrund der effektiven Kontrolle über die Schutzsuchenden an völkerrechtliche Vorgaben gebunden, insbesondere aus der GFK und der EMRK, aber auch aus anderen internationalen Übereinkommen, wie etwa dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), der UN-Anti-Folter-Konvention (CAT), der UN-Kinderrechtskonvention (KRK), und der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK).[20] Im Falle der Durchführung eines solchen Verfahrens durch Deutschland würde auch das Grundgesetz im Ausland gelten.[21]

Im Falle von Schutzsuchenden, die bereits in der EU angekommen sind, dann aber in einen Drittstaat zur Asylantragsprüfung verbracht werden sollen, wäre der jeweilige EU-Mitgliedstaat unstrittig auch an Unionsrecht gebunden. Damit fänden die Regelungen und Verfahrensstandards des GEAS Anwendung, wie etwa die Asylverfahrens- und die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/32/EU und RL 2013/33/EU) und damit auch die Charta der Grundrechte der EU (GRCh). Hier ist jedoch zu beachten, dass die aktuell geltenden Regelungen des GEAS eine Durchführung von Asylverfahren nur auf dem Territorium der EU vorsehen, womit eine Verbringung von Asylsuchenden in Asylzentren in Drittstaaten eine Umgehung geltender Regelungen darstellen würde. Ob das so einfach möglich ist und nicht etwa einen Verstoß gegen die Grundsätze des GEAS und damit gegen das Loyalitätsprinzip aus Art. 4 Abs. 3 EUV darstellt, ist umstritten.[22]

Unabhängig von der Geltung des Unionsrechts im Ausland, würden bei territorial ausgelagerten Asylverfahren international verbindliche Standards für das Verfahren und die Unterbringung der betreffenden Asylsuchenden greifen. Um die Einhaltung international verbindlicher rechtlicher Standards zu gewährleisten, müssten insbesondere drei Aspekte im Hinblick auf die Rechtsstellung von Asylsuchenden im Ausland berücksichtigt werden:

  1. Die Durchführung eines fairen Asylverfahrens, unter Einhaltung individueller Verfahrensgarantien sowie Zugang zu effektivem Rechtsschutz;
  2. Eine menschenwürdige (und ggf. kindgerechte) Unterbringung während des Verfahrens, die keine de facto Inhaftierung der Schutzsuchenden darstellt;
  3. Die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes, einschließlich der Beachtung möglicher Gefahren von sog. Ketten-Refoulement.

Das Recht auf ein faires Asylverfahren, das sich insb. aus Art. 6 EMRK ergibt, wird durch das Recht auf effektiven Rechtsschutz flankiert (Art. 13 EMRK; im Unionsrecht gilt Art. 47 GRCh).  Bei Asylverfahren in geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen im Ausland ist nicht davon auszugehen, dass entsprechende Verfahrensstandards sichergestellt werden und Schutzsuchende effektiv Zugang zu Rechtsschutz gegen eine Ablehnungsentscheidung erhalten könnten.[23] Im Hinblick auf die Unterbringung sind menschenrechtliche Standards zu wahren, die sich insbesondere aus Art. 3 EMRK (ebenso 4 GRCh), also dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung, und den Vorgaben der KRK ergeben, wie etwa dem Gebot der Achtung des Kindeswohls (Art. 3 KRK). Dabei sind auch die durch die Rechtsprechung des EGMR und des EuGH zu innereuropäischen Überstellungen entwickelten Grundsätze zu beachten.[24] In jeden Fall bedarf es einer Vorprüfung mit Zugang zu effektivem Rechtsschutz, um gegen eine Überstellung in ein extraterritoriales Asyllager vorgehen zu können. Denn ein Verfahren in einem Drittstaat ist keinesfalls gleichzusetzen mit einem Verfahren in der EU, selbst wenn der Hoheitsträger nicht wechselt. Auch wenn Behörden eines EU-Staates im Drittstaat durchführen, werden die Rechte Schutzsuchender nicht nur de jure beschnitten, sondern durch ihre territoriale Verbringung außerhalb der EU de facto weiter verkürzt. Vor einer Verbringung in ein extraterritoriales Zentrum müssten etwa besondere Schutzbedarfe geprüft werden. Wie ein solches Screening insbesondere an Bord eines Schiffes im Falle des Aufgriffs auf hoher See erfolgen soll, ist insbesondere im Hinblick auf nicht offensichtliche Vulnerabilitäten wie etwa psychische Erkrankungen oder Trauma, fraglich. Die Vorschläge Italiens erhalten hierzu keine weiteren Angaben.

Die Durchführung eines Asylverfahrens in einem Drittstaat birgt vor allem die Gefahr haftähnlicher Zustände oder gar einer de facto Inhaftierung, sofern die Schutzsuchenden in geschlossenen Zentren untergebracht werden und sich in dem jeweiligen Drittstaat nicht frei bewegen können – so das Vorhaben Italiens. Angesichts der in Aussicht stehenden Freiheitsentziehung bei Verbringung in (noch rein hypothetische) Zulässigkeitszentren bleibt unklar, wie ggf. bestehende Schutzbedarfe oder andere einer Verbringung in ein solches Zentrum entgegenstehende Gründe effektiv geltend gemacht werden können. Sofern Schutzsuchende nicht freiwillig in solche Zentren verbracht werden, wovon bisher auszugehen ist, ist hier die Rechtsprechung des EGMR und des EuGH im Hinblick auf de facto Inhaftierungen in europäischen Transitlagern relevant.[25]  Mangels Freiwilligkeit handelt es sich um eine Freiheitsentziehung, die aufgrund verfassungs-, unions- und völkerrechtlicher Rechtsschutzgarantieren, nicht ohne Einzelfallprüfung und gerichtliche Kontrolle erfolgen darf. Zudem würde ein solches Festhalten der Schutzsuchenden einen Eingriff in das Recht auf Ausreise darstellen, welches u.a. in Art. 12 Abs. 2 IPbpR und Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK verankert ist.[26] Die Bewegungsfreiheit in dem Drittstaat setzt eine Legalisierung des Aufenthaltes durch den jeweiligen Drittstaat voraus, wovon bisher nicht auszugehen ist. Im Falle einer Inhaftierung wäre neben dem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 13 EMRK, Art. 47 GRGh) bereits bei der Verbringung in den Drittstaat der Richtervorbehalt zu achten (Art. 5 Abs. 3 EMRK, Art. 104 Abs. 2 GG).[27]

Bei einer Ablehnung des Schutzgesuches im Ausland ist schließlich der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung zu achten, der unter anderem in Art. 33 Abs. 1 GFK, Art. 3 EMRK verankert und gewohnheitsrechtlich anerkannt ist.[28] Zudem ist die Gefahr eines sog. Ketten-Refoulements zu berücksichtigen, also der Abschiebung in einen Staat, aus dem wiederum eine menschenrechtswidrige Abschiebung droht. Darüber hinaus ist die Durchsetzbarkeit einer Ablehnungsentscheidung auf ausländischem Territorium fraglich. Sollte eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich sein, stellt sich die Frage nach dem weiteren Verbleib der betreffenden Person, die auch in diesem Fall menschenwürdig unterzubringen wäre.

 

3. Das Konzept der sicheren Drittstaaten: Ein Instrument der Verantwortungsauslagerung

Die zweite Variante der „Drittstaatenlösungen“, die aktuell im Fokus steht, ist die Ausweitung des Konzepts sicherer Drittstaaten. Dieses ermöglicht es einem EU-Mitgliedstaat den Asylantrag einer Person als „unzulässig“ abzulehnen und diese in den als sicher erklärten Drittstaat zu überstellen, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und der Drittstaat kooperiert. Auch hier sind wieder menschenrechtliche Standards zu wahren sowie die Achtung des Gebots der Nicht-Zurückweisung sicherzustellen. Darüber hinaus gelten qualifizierte Anforderungen an das Schutzniveau im jeweiligen Drittstaat, auf den im Rahmen des Konzepts für das Asylverfahren und die anschließende Schutzgewährung verwiesen werden soll.[29]

In der EU wird das Konzept der sicheren Drittstaaten bisher nach Art. 38 der Asylverfahrensrichtlinie im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach nationalem Recht geprüft.[30] Die aktuelle Fassung der Asylverfahrensrichtlinie sieht in Art. 38 Abs. 2 lit. a vor, dass die nationalen Regeln zur Bestimmung eines sicheren Drittstaats eine Verbindung zwischen der antragstellenden Person und dem Drittstaat erfordern, aufgrund derer es «vernünftig» erscheint, dass die betreffende Person sich in den jeweiligen Staat begibt. Während die konkreten Anforderungen an das Kriterium rechtlich unscharf bleiben, hat der EuGH entschieden, dass ein Transit allein nicht ausreichend ist, um eine Verbindung zu einem Staat anzunehmen.[31] Die Neuregelung in Art. 59 Abs. 5 lit. b Asylverfahrensverordnung hält am Erfordernis einer «sinnvollen» Verbindung fest.[32] Es wird jedoch bereits darüber diskutiert, dass das Kriterium bei der im Sommer 2025 vorgesehenen Evaluation der Regelungen zu sicheren Drittstaaten wegfallen könnte,[33] wenn es dafür dann keinen Konsens mehr gibt.[34]

Grundsätzlich steht dabei die Frage im Raum, ob das Erfordernis einer Verbindung der antragstellenden Person zum (wieder-)aufnehmenden Drittstaat menschenrechtlich geboten ist.[35] Da die GFK hierzu schweigt, geht UNHCR in einer Stellungnahme von 2018 davon aus, dass das Erfordernis einer Verbindung völkerrechtlich nicht zwingend sei.[36] Wie auch UNHCR weiter ausführt, ist die Berücksichtigung von Individualinteressen aber jedenfalls ein wichtiges rechtspolitisches Kriterium, um Weiterwanderungen und damit „refugees in orbit“-Situationen zu vermeiden.[37] Beispiele für Drittstaatskooperationen, die jegliches Verbindungskriterium außer Acht lassen, sind die Überstellungen von Schutzsuchenden aus Australien auf die Insel Nauru, eine Praxis die zudem im Hinblick auf den dort nicht vorhandenen Zugang zu grundlegenden Menschenrechten und Verfahrensgarantien problematisch ist.[38] Eine ähnliche Zielrichtung hat das bisher gescheiterte Vorhaben der britischen Regierung, Asylsuchende ohne inhaltliche Antragsprüfung nach Ruanda abzuschieben. Geplante Abschiebungen wurden vom UK Supreme Court und dem EGMR wegen drohender Verletzungen von Art. 3 EMRK gestoppt.[39] Dieses Beispiel zeigt, dass Überstellungen nicht am Verbindungskriterium, sondern an menschenrechtlichen Überstellungsverboten scheitern können.

Einen vergleichbaren Maßstab im Hinblick auf innereuropäische Überstellungen nach Griechenland zogen sowohl der EGMR unter Bezugnahme auf Art. 3 EMRK[40] als auch der EuGH heran, der Art. 4 GRCh bei der Prüfung der Zulässigkeit im Falle einer Überstellung bei Vorliegen sog. systemischer Mängel des Asyl- und Aufnahmeverfahrens im Zielstaat anlegte.[41] Auf Grundlage einer persönlichen Anhörung ist zu prüfen, ob Schutzsuchenden im jeweiligen Drittstaat der Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewährt wird und sie keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden, selbst dann, wenn der Drittstaat formal an die EMRK und die GFK gebunden ist.[42] Ferner darf nicht in einen Drittstaat abgeschoben werden, wenn es keine ausreichenden Garantien gegen eine Kettenabschiebung gibt.[43]

Umstritten ist jedoch, welches Schutzniveau durch einen Drittstaat geboten werden muss, falls die Person dort als schutzbedürftig anerkannt wird. Da das Konzept im Falle einer Ablehnung des Asylantrags als „unzulässig“ angewendet wird, besteht bei einer Überstellung keine Kenntnis über den tatsächlichen flüchtlingsrechtlichen Schutzbedarf der betreffenden Person. Menschenrechtliche Bedenken aufgrund der Unterbringungssituation und Verfahrensmängel in den jeweiligen Drittstaaten müssen in jedem Fall berücksichtigt werden.[44] Darüber hinaus bestehen im Falle von Unzulässigkeitsentscheidungen völkerrechtliche Anforderungen an das Schutzniveau im jeweiligen Drittstaat, welches nicht nur Schutz vor Refoulement beinhaltet. Die GFK sieht neben dem Refoulement-Schutz auch eine langfristige Aufenthaltsperspektive mit Zugang zu Teilhaberechten im Aufnahmestaat vor, sofern eine Person dauerhaft nicht mehr in ihren ursprünglichen Heimatstaat zurückkehren kann.[45] Herabgestufte Anforderungen an das Schutzniveau im Rahmen von Überstellungen nach Unzulässigkeitsentscheidungen unterscheiden nicht ausreichend zwischen Überstellungen ohne inhaltliche Antragsprüfung und Überstellungen nach inhaltlicher Antragsprüfung und widersprechen dem Telos der Verantwortungsallokation für einen umfassenden Schutz nach der GFK.  Sofern ein kooperierender Drittstaat kein der GFK entsprechendes Schutzniveau bietet, würde im Falle der Überstellung eines (potentiellen) GFK-Flüchtlings kein Staat perspektivisch die völkerrechtliche Verantwortung nach der GFK übernehmen.[46]

Für die praktische Durchführbarkeit von Überstellungen, die auf dem Konzept sicherer Drittstaaten beruhen, kommt es zuletzt darauf an, ob es ein Abkommen zur (Rück-)Übernahme durch den entsprechenden Drittstaat gibt, da dieser hierzu nicht völkerrechtlich verpflichtet ist.[47] Dabei hängt die Umsetzung allerdings davon ab, ob der jeweilige Drittstaat sich auch an die zwischenstaatliche Vereinbarung hält und tatsächlich kooperiert.

 

4. Fazit: Sichere Zugangswege statt Abschreckung und Verantwortungsauslagerung

Grundsätzlich ist es unter Wahrung internationaler Vorgaben möglich, den Zugang zum Asylverfahren komplementär zum Territorialzugang auch extraterritorial zu gewähren. Diese Feststellung bezieht sich allerdings auf Verfahren für Personen, die noch nicht in der EU angekommen sind. So gibt es zahlreiche Beispiele, in denen durch eine Kooperation der Auslandsvertretungen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und UNHCR sichere Einreisemöglichkeiten geschaffen werden, etwa auf der Grundlage humanitärer Aufnahmeprogramme oder im Rahmen von Neuansiedlungsprogrammen (Resettlement). Solche Verfahren bieten effektive und rechtstaatliche Alternativen zu gefährlichen Fluchtrouten, ermöglichen eine Kontrolle über die Einreise und stehen im Zeichen internationaler Solidarität. Extraterritoriale Verfahren für Personen einzuführen, die bereits in der EU angekommen sind, bergen hingegen das Risiko erheblicher Menschenrechtsverletzungen. Sie suggerieren Kontrolle über Migration und verursachen erhebliche materielle und immaterielle Kosten. Eine menschenrechtskonforme Durchführung dieser Art extraterritorialer Verfahren unter Einhaltung wesentlicher Verfahrensgarantien ist in der Praxis kaum vorstellbar und angesichts der finanziellen Kosten, die damit einhergehen, auch nicht sinnvoll. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass kein extraterritoriales Verfahren den territorialen Zugang zum Asylverfahren ersetzen kann, da dies mit geltendem Völker- und Unionsrecht unvereinbar wäre.

Alle Modelle, die eine Überstellung von Schutzsuchenden vorsehen, die bereits in der EU angekommen sind, müssen mit individuellem Rechtsschutz gegen die Überstellung in einen Drittstaat einhergehen, auch wenn der Hoheitsträger vor einer Überstellung in einen Drittstaat nicht wechselt.  Asylverfahren in Drittstaaten sind rechtlich und tatsächlich nicht vergleichbar mit Asylverfahren in der EU. Bei einer territorialen Auslagerung von Asylverfahren sind insbesondere die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung eine Herausforderung. Zudem müsste effektiver Zugang zu einem fairen Verfahren, einschließlich effektivem Rechtsschutz im Ausland gewährt werden. Da solche Modelle nur schwer durchzuführen sein dürften, ohne Asylsuchende systematisch zu inhaftieren, sind sie aus menschenrechtlicher Sicht grundsätzlich problematisch.

Im Falle der Anwendung des Konzepts der sicheren Drittstaaten, bedarf es vor einer Überstellung einer Prüfung menschenrechtlicher Standards sowie der Perspektive auf einen Schutzstatus nach der GFK in dem jeweiligen Drittstaat. Auch das Verbindungskriterium ist nach aktuell geltendem EU-Recht noch zu berücksichtigen. Selbst wenn dieses Kriterium bei der im nächsten Jahr anstehenden Evaluation der GEAS-Reformvorschläge gestrichen wird, ist nicht davon auszugehen, dass Drittstaatenmodell sich in größerem Umfang realisieren ließen. Denn Überstellungen aufgrund bekannter Modelle – wie etwa dem „EU-Türkei-Deal“ oder den Britischen Ruanda-Plänen – scheitern vorrangig an menschenrechtlichen Überstellungshindernissen und mangelnder internationaler Kooperation.  Das Verbindungskriterium hilft darüber nicht hinweg und liefert auch keinen menschenrechtlichen Freibrief für eine Überstellung. Es sind vielmehr andere Aspekte, die aus menschenrechtlicher Sicht die Debatte um das sichere Drittstaatskonzept prägen sollten, wie vor allem der Aspekt der Freiwilligkeit – schließlich sind Situationen denkbar, in denen eine Verbindung festgestellt wird, die betroffene Person aber dennoch nicht in den Drittstaat überstellt werden möchte. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Modelle keine echte Schutzalternativen und Lebensperspektiven bieten. So suggerieren die aktuell im Fokus der Diskussion stehenden Drittstaatenmodelle einfache Lösungen für den Umgang mit Flucht und Migration, indem Verantwortung ausgelagert oder Schutzsuchende abgeschreckt werden sollen.

Dabei ist das Argument, dass Abschiebungen von Schutzsuchenden in Asylzentren im Ausland oder vermeintlich sichere Drittstaaten potenzielle Migrierende abschrecken würden, weder überzeugend belegt noch rechtlich vertretbar. Eine genaue Betrachtung der Faktenlage und der praktischen Erfahrungen mit solchen „Abschreckungsmaßnahmen“ zeigt vielmehr, dass solche Modelle nicht den gewünschten Effekt erzielen und darüber hinaus schwerwiegende menschenrechtliche Bedenken aufwerfen. Zunächst ist die angebliche Abschreckungswirkung von Abschiebungen in Drittstaaten wissenschaftlich nicht belegt bzw. nicht belegbar. Studien und Gutachten, wie beispielsweise im Falle des „EU-Türkei-Deals“, zeigen, dass Rückgänge bei den Asylantragszahlen nach solchen Vereinbarungen regelmäßig auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen sind.[48] Das Kaldor Centre for International Refugee Law der Universität Sydney hat ebenfalls festgestellt, dass das australische Off-Shore-Modell keine eindeutige Abschreckungswirkung nachweisen kann, dafür aber mit hohen Kosten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen einhergeht.[49] Bei allen Vorschlägen hängt die praktische Durchführbarkeit letztendlich von der tatsächlichen Kooperation der jeweiligen Drittstaaten ab.

Staatliche Herausforderungen mit Flucht und Migration lassen sich nicht einfach durch menschenrechtliche Kompromisse, das Festhalten von Menschen in extraterritorialen Lagern oder die Auslagerung von Verantwortung an Drittstaaten lösen. Angesichts der weltweit über 117.000 Mio. Schutzsuchenden, deren Schutzbedarf nicht durch nationale Alleingänge begegnet werden kann, verkennt die Ausweitung von Mechanismen zur Externalisierung von Asylverfahren und Auslagerung völkerrechtlicher Verantwortung die Notwendigkeit internationaler Solidarität und Verantwortungsteilung für den Flüchtlingsschutz.

 

Fußnoten

[1] Pauline Endres de Oliveira ist Professorin für Recht und Migration an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieser Beitrag basiert auf einer schriftlichen Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) am 11. März 2024 zur Frage, „ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann“. Die Stellungnahme von Pauline Endres de Oliveira ist abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/mpk/mpk-drittstaat_stellungnahme-endres.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (diese und alle nachfolgenden Internetquellen wurden zuletzt aufgerufen am 27.06.2024). Dank geht an Marian Max Rütsche, Katharina Stübinger und Milena Zilk für die Unterstützung bei der Recherche.

[2] Fragen zur Rechtmäßigkeit des Memorandums of Understanding zwischen Italien und Albanien wurden der EU-Kommission im November 2023 gestellt, die sich dazu bis Ende Juni 2024 noch nicht geäußert hat, siehe https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2023-003289-ASW_EN.html.

[3] Susan Kneebone, The Pacific Plan: The Provision of “Effective Protection”?, International Journal of Refugee Law 18/2006, S. 696-721; Madeline Gleeson/Natasha Yacoub, Cruel, costly and ineffective: The failure of offshore processing in Australia, Policy Brief 11, Sydney 2021.

[4] Siehe Art. 38 Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU).

[5] Memorandum of Understanding between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland And The Government of the Republic of Rwanda for the provision of an asylum partnership arrangement to strengthen shared international commitments on the protection of refugees and migrants, 14.4.2022, https://www.gov.uk/government/publications/memorandum-of-understanding-mou-between-the-uk-and-rwanda; siehe dazu UNHCR, Analysis of the Legality and Appropriateness of the Transfer of Asylum-
Seekers under the UK-Rwanda arrangement, 8.6.2022.

[6] Europäischer Rat, Pressemitteilung vom 18.3.2016 («EU-Türkei-Erklärung»).

[7] Zur Rechtsnatur als «Presseerklärung» s. EuG, NG gegen Europäischer Rat, T-193/16, EU:T:2017:129.

[8] Siehe dazu etwa Refugee Support, Presseerklärung v. 6. 2. 2023, mit dem Hinweis, dass es seit 2020 keine Überstellungen mehr in die Türkei aufgrund des EU-Türkei-Deals von März 2016 gab, https://rsaegean.org/en/greek-council-of-state-turkey-as-a-safe-third-country; die Frage der Rechtmäßigkeit der Einstufung der Türkei als sicher ist angesichts mangelnder Kooperation der Türkei beim EuGH anhängig, siehe EuGH, C-134/23, Elliniko Symvoulio gia tous Prosfyges (2023/C 189/25).

[9] Siehe “Asylverfahren in Drittstaaten“: Sachstandsbericht der Bundesregierung, 20.6.2024, abrufbar hier https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/mpk/mpk-sachstandsbericht-asylverfahren-in-drittstaat.pdf?__blob=publicationFile&v=3; die einzelnen Stellungnahmen sind abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/DE/themen/migration/asyl-fluechtlingsschutz/asyl-fluechtlingspolitik/mpk-asylantraege-drittstaaten-artikel.html.

[10] Siehe dazu die Meldung der Tagesschau am 20.6.2024, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/inland/ministerpraesidenten-asylverfahren-drittlaender-scholz-100.html.

[11] Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 19953 II 559), sowie das dazugehörige Protokoll vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II 1293, 1294).

[12] Konvention zum Schutz der Grundfreiheiten vom 4. November 1950.

[13] Dazu auch Pauline Endres de Oliveira/Nikolas Feith Tan, External Processing: A tool to expand protection or a further restriction to territorial asylum? Migration Policy Institute (Hrsg.) 2023, abrufbar unter https://www.migrationpolicy.org/research/external-processing-asylum.

[14] Siehe auch die Grafik zum „Hinwegmodell“ des BMI, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/mpk/mpk-modell_3.html.

[15] Aktuell befinden sich über 117 Mio. Menschen auf der Flucht, siehe UNHCR, Global Trends Report 2023, abrufbar unter https://www.unhcr.org/global-trends.

[16] Pauline Endres de Oliveira, Legaler Zugang zu internationalem Schutz – Zur Gretchenfrage im Flüchtlingsrecht, Kritische Justiz 49/2016, S. 167 f.

[17] Zum Begriff der Externalisierung im Kontext des Asylrechts David Cantor et al., Externalisation, Access to Territorial Asylum, and International Law, International Journal of Refugee Law 1/2022, S. 120–156; Nikolas Feith Tan, Conceptualising externalisation: still fit for purpose?, Forced Migration Review, https://www.fmreview.org/tan/.

[18] Siehe Art. 3 Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU); Art. 1 Dublin-III-Verordnung (Nr. 604/2013); Art. 3 Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU); siehe dazu auch EuGH, Urteil vom 17.032017 – C‑638/16 PPU, X. und X. gg. Belgien; siehe auch EGMR, Urteil vom 5.3.2020 – 3599/18, M.N. gg. Belgien, wonach sich kein Anspruch auf Einreise aus der EMRK ergibt, da diese in Fällen der Beantragung eines „Asylvisums“ an einer Botschaft nicht anwendbar sei.

[19] Umfassend dazu Pauline Endres de Oliveira, Save Access to Asylum in Europe: Normative assessment of safe pathways to protection in the legal context of the European Union, Nomos 2024.

[20] Siehe die jeweiligen Jurisdiktionsklauseln Art. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 KRK, Art. 2 Abs. 1 IPbpR, Art. 2 Abs. 1 CAT.

[21] Markus Löffelmann, Die deutsche Hoheitsgewalt ist auch bei einem Handeln im Ausland an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Darauf können sich auch ausländische Betroffene berufen: BVerfG Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020–1 BvR 2835/17, Juristische Rundschau, 9/2020, 494-517; Stefanie Schmahl, Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt im Ausland, NJW, 73/2020, S. 2221-2224; siehe auch BVerfG, Urteil vom 19.05.2020 – 1 BvR 2835/17, BND-Urteil; Urteil vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, Klimaschutz-Urteil; BVerwG, 25.11.2020 – 6 C 7.19, Ramstein-Urteil.

[22] Siehe zum Verstoß gegen das Loyalitätsprinzip die Stellungnahme zur BMI-Sachverständigenanhörung von Nora Markard, S. 4, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/mpk/mpk-drittstaat_stellungnahme-markard.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

[23] Zur Situation Asylsuchender in Grenzlagern der EU siehe Robert Nestler/Catharina Ziebritzki, «Hotspots» an der EU-Außengrenze: Eine rechtliche Bestandsaufnahme, MPIL Research Paper No. 2017-17; s. auch Maximilian Pichl, Der Moria-Komplex, Studie im Auftrag von medico international, Frankfurt am Main 2021.

[24] EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09, M.S.S. gg. Belgien und Griechenland; Urteil vom 04.11.2024 – 29217/12, Tarakhel gg. Schweiz; EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10, N.S. (Afghanistan) und andere.

[25] Siehe dazu die Rechtsprechung zur Unterbringung in Transitzonen, EGMR, Urteil vom 30.11.2023 – 17089/19, S.AB and S.AR. v Ungarn; Urteil vom 02.03.2021 – 36037/17, R.R. und andere gg. Ungarn; siehe auch EuGH, Urteil vom 14.05.2020 – C-924/19 C-925/19, FMS und andere; siehe außerdem UN HRC, Stellungnahme der Arbeitsgruppe zu Willkürlicher Inhaftierung vom 05.06.2020 – 22/2020 zu Saman Ahmed Hamad v Ungarn.

[26] Siehe dazu Nora Markard, Das Recht auf Ausreise zur See: Rechtliche Grenzen der europäischen Migrationskontrolle durch Drittstaaten, Archiv des Völkerrechts 52/2014, S. 449.

[27] Siehe etwa die Regelungen zum Richtervorbehalt im Rahmen der Sicherungshaft (§ 62 Abs. 3 AufenthG) und des Ausreisegewahrsams (§ 62b Abs. 1 AufenthG) sowie der ergänzenden Vorbereitungshaft (§ 62c Abs. 1 AufenthG) und die Regelungen zu Verfahrensbeiständen im Fall von Sicherungshaft, Ausreisegewahrsam und ergänzender Vorbereitungshaft (§ 62d AufenthG) sowie im Flughafenverfahren (§ 18a Abs. 1 S. 5 AsylG); zur Pflicht der Gewährung eines Rechtsbeistandes im Flughafenverfahren siehe auch BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93, wobei die Transitunterbringung im Flughafengelände wegen der jederzeitig möglichen Ausreise nicht als Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung gewertet wurde; anders EGMR, Urteil vom 25.6.1996 – 19776/92, Amuur gg. Frankreich; Urteil vom 30.11.2023 – 17089/19, S.AB und S.AR. gg. Ungarn; Urteil vom 02.03.2021 – 36037/17, R.R. und andere gg. Ungarn; EuGH, Urteil vom 14.05.2020 – C-924/19 C-925/19, FMS und andere.

[28] Siehe auch Art. 19 Abs. 2 GRCh, Art. 3 CAT, Art. 7 iVm Art. 2 IPbpR.

[29] Umfassend dazu Michelle Foster, Protection Elsewhere: The Legal Implications of Requiring Refugees to Seek Protection in Another State, Michigan Journal of International Law 28/2007, S. 223; Stephen Legomsky, Secondary Refugee Movements and the Return of Asylum Seekers to Third Countries: the Meaning of Effective Protection, International Journal of Refugee Law 15/2003, S. 567.

[30] Zum Konzept nach aktuell geltendem Recht siehe Deutscher Bundestag, Das Konzept der sicheren Drittstaaten und sicheren europäischen Drittstaaten in der Asylverfahrensrichtlinie, EU 6 – 3000 – 046/23, 23.10.2023; zur Entwicklung des Konzepts in der EU siehe Berfin Nur Osso, Unpacking the Safe Third Country Concept in the European Union: B/orders, Legal Spaces, and Asylum in the Shadow of Externalization, International Journal of Refugee Law 35/2003, S. 273 ff.; zum Konzept der sicheren Drittstaate im internationalen Kontext Efrat Arbel, Shifting Borders and the Boundaries of Rights: Examining the Safe Third Country Agreement between Canada and the United States, International Journal of Refugee Law 1/2013, S. 65–86.

[31] EuGH, C-564/18, LH gg. Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, Rn. 49 f.; EuGH, C-924/19 PPU und C-925/19 PPU, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi  Regionális  Igazgatóság,  Rn. 157 ff.; EuGH, C-821/19, Kommission gg. Ungarn, Rn. 38 f.

[32] Die aktuelle Fassung der neuen Asylverfahrensverordnung vom 26.4.2024 findet sich unter https://data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-16-2024-INIT/de/pdf.

[33] Siehe Art. 77 Abs. 4 Asylverfahrensverordnung.

[34] Dazu Daniel Thym, Gutachten über Anforderungen an sichere Drittstaaten im Asylrecht und praktische Umsetzungsmöglichkeiten, 3.4.2024, S. 30 ff.

[35] Anna Lübbe, Allokation von Flüchtlingsverantwortung, Jahrbuch für Recht und Ethik 25/2017, S. 103.

[36] UNHCR, Legal considerations regarding access to protection and a connection between the refugee and the third country in the context of return or transfer to safe third countries, 4/2018, Rn. 6, https://www.refworld.org/docid/5acb33ad4.html; zum menschenrechtlichen Gehalt eines Verbindungserfordernisses mit dem Beispiel familiärer Bindungen im verweisenden Staat und fehlender Bindungen im Drittstaat siehe Anna Lübbe, Expertise für die Sachverständigenanhörung zur GEAS-Reform, Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache 19(4)26 D, 4/2018, S. 16.

[37] Ebenso Daniel Thym, Mindestanforderungen des EU-Primärrechts und des Flüchtlingsvölkerrechts an sekundärrechtliche Regelungen, die vorsehen, Asylanträge mit Blick auf Schutz-und Unterkunftsmöglichkeiten in dritten Staaten (Transitstaaten, sonstige Staaten) oder einzelnen Teilgebieten solcher Staaten ohne Sachprüfung abzulehnen, Gutachterliche Stellungnahme für das Bundesministerium des Innern, 1/2017, S. 30.

[38] Susan Kneebone, The Pacific Plan: The Provision of “Effective Protection”?, International Journal of Refugee Law 18/2006, S. 696-721; Madeline Gleeson/Natasha Yacoub, Cruel, costly and ineffective: The failure of offshore processing in Australia, Policy Brief 11, Sydney 2021.

[39]  UK Supreme Court, Judgement of 15 November 2023, UKSC 42; EGMR, N. S. K. gg.  das  Vereinigte Königreich, (zuvor K. N. gg. das Vereinigte Königreich), Einstweilige Verfügung vom 14. 6. 2022, Nr. 28774/2; für eine kritische Kontextualisierung dieser Entscheidung siehe Lena Riemer, The Costs of Outsourcing: How the UK’s policy of outsourcing their asylum obligations violates human rights, perpetuates the country’s ECHR skepticism, and expands dangerous precedence, VerfBlog, 5.7.2022, https://verfassungsblog.de/the-costs-of-outsourcing.

[40] EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09, M.S.S. gg. Belgien und Griechenland.

[41] EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10, N.S. (Afghanistan) und andere.

[42] EuGH, Urteil vom 16.07.2020 – C-517/17, Milkiyas Addis; Urteil vom 25.07.2018 – C-585/16, Serin Alheto; siehe auch EUAA, Applying the concept of safe countries in the asylum procedure, December 2022, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_safe_country_concept_asylum_procedure_EN.pdf.

[43] EGMR, Urteil vom 23.07.2020 – 40503/17, 42902/17 and 43643/17, M.K. und andere gg. Polen; Urteil vom 21.11.1019 – 47287/15, Ilias und Ahmed (Bangladesch) gg. Ungarn; Urteil vom 11.12.2018 – 59793/17.

[44] EGMR, Urteil vom 11.12.2018 – 59793/17, M.A. und andere (Russland) gg. Litauen.

[45] Siehe etwa Art. 17-19 (Recht auf Arbeit), Art. 22 (Recht auf Bildung), Art. 26 (Aufenthalt und Freizügigkeit), Art. 23 GFK (Recht auf öffentliche Fürsorge); weiterführend dazu James Hathaway/Michelle Foster, The law of refugee status, Cambridge University Press 2014, S. 21; siehe auch Michigan Guidelines on Protection Elsewhere, 3 January 2007, Nr. 8, https://www.refworld.org/pdfid/4ae9acd0d.pdf.

[46] So auch Refugee Law Initiative, Declaration on Externalisation and Asylum, International Journal of Refugee Law 34/2022, S. 114–119; Berfin Nur Osso, Unpacking the Safe Third Country Concept in the European Union: B/orders, Legal Spaces, and Asylum in the Shadow of Externalization, International Journal of Refugee Law 35/2003, S. 273; Michigan Guidelines on Protection Elsewhere, 3 January 2007, Nr. 8, https://www.refworld.org/pdfid/4ae9acd0d.pdf; Reinhard Marx, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der von der Kommission der Europäischen Union vorgeschlagenen Konzeption des Ersten Asylstaates sowie der Konzeption des sicheren Drittstaates mit Völker- und Unionsrecht, 12/2018, www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/2018_Gutachten_Reinhard_Marx_Pro_Asyl_sichere_Drittstaaten.pdf; Michelle Foster, Protection Elsewhere: The Legal Implications of Requiring Refugees to Seek Protection in Another State, Michigan Journal of International Law 28/2007, S. 223 (270); Anna Lübbe, Expertise für die Sachverständigenanhörung zur GEAS-Reform, Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache 19(4)26 D, 4/2018, S. 6; siehe auch UNHCR, Legal Considerations Regarding Access to Protection and a Connection between the Refugee and the Third Country in the Context of Return or Transfer to Safe Third Countries, 4/2018, https://www.refworld.org/policy/legalguidance/unhcr/2018/en/120729; ebenso High Court of Australia, Judgment of 31 August 2011, Case M70/2011, https://www.hcourt.gov.au/cases/case-m70/2011; a. A. Daniel Thym, Mindestanforderungen des EU-Primärrechts und des Flüchtlingsrechts an sekundärrechtliche Regelungen, die vorsehen, Asylanträge mit Blick auf Schutz und Unterkunftsmöglichkeiten in dritten Staaten (Transitstaaten, sonstige Staaten) oder einzelnen Teilgebieten solcher Staaten ohne Sachprüfung abzulehnen, Gutachterliche Stellungnahme für das Bundesministerium des Innern, 1/2017, S. 18 ff.

[47] Dazu Meike Riebau, Rückübernahmeabkommen und partnerschaftliche Steuerungsinstrumente: Menschenrechte als wirtschaftliche Tauschware auf dem politischen Tableau? ZAR 2/2015, S. 61.

[48] Thomas Spijkerboer, Fact Check: Did the EU-Turkey Deal Bring Down the Number of Migrants and of Border Deaths?, https://blogs.law.ox.ac.uk/research-subject-groups/centre-criminology/centreborder-criminologies/blog/2016/09/fact-check-did-eu.

[49] Madeline Gleeson/Natasha Yacoub, Cruel, costly and ineffective: The failure of offshore processing in Australia, Policy Brief 11, Sydney 2021, S. 6.